Der europäische Kunstversicherungsmarkt verschiebt sich von Volumen- zu Wertwachstum

Nach mehreren Jahren der Volatilität infolge der Pandemie, Inflationszyklen und Bewertungsanpassungen tritt der europäische Fine-Art-Versicherungsmarkt in eine Phase der Stabilisierung ein, die durch tiefgreifende strukturelle Veränderungen geprägt ist – weniger durch rasante Expansion. Laut der aktuellen Marktanalyse von Interconnection Consulting wird das gesamte Prämienvolumen im Vereinigten Königreich, Frankreich, Deutschland, der Schweiz und Österreich im Jahr 2025 voraussichtlich 636 Millionen Euro erreichen. Dies entspricht einem Wertwachstum von 2,43 %, während das Vertragsvolumen nahezu stagniert und lediglich um 0,3 % zulegt. Diese Entkopplung von Prämienwachstum und Kundenvolumen verdeutlicht einen grundlegenden Strukturwandel: Das Marktwachstum wird zunehmend durch höhere versicherte Werte, inflationsbereinigte Versicherungssummen und striktere Underwriting-Standards getragen – und weniger durch die Gewinnung neuer Versicherungsnehmer.

Uneinheitliche Marktdynamik in Europa

Das gesamte Marktwachstum in Europa bleibt moderat, dennoch unterscheiden sich die Entwicklungen zwischen den Ländern deutlich.
Deutschland hat sich in eine reife, langsam wachsende Marktstruktur entwickelt, in der Combined-Policen dominieren – ein Zeichen für den Trend zu gebündelten Haushalts- und Privatversicherungslösungen. Das Vereinigte Königreich, weiterhin einer der größten Märkte Europas, wächst stabil, getragen von Londons kulturellem Umfeld und einer starken privaten Sammlerlandschaft.
Frankreich sticht mit einem der dynamischsten Wachstumsverläufe hervor, mit einer prognostizierten jährlichen Wachstumsrate von +3,6 % bis 2028, befeuert durch eine außergewöhnlich aktive Kulturszene und eine wachsende Basis privater Sammler.

Im Gegensatz dazu zeigen die Schweiz und Österreich stabile, aber konservative Wachstumsentwicklungen, getragen von hochwertigen Fine-Art-Only-Policen und starken Segmenten privater Sammler.

Wie ein Branchenexperte bemerkte: „Der Markt wird nicht mehr von der Anzahl der versicherten Kunden getrieben, sondern vom Wert, den sie versichern.“

Dieser wertorientierte Wandel ist mittlerweile in ganz Westeuropa sichtbar.

Private Sammler treiben das Wachstum – Institutionen sichern die strukturelle Stabilität

Die Studie zeigt einen europaweiten Trend hin zu einer Dominanz privater Kunden.
In Frankreich und dem Vereinigten Königreich entfallen mittlerweile nahezu 65–70 % des gesamten Prämienvolumens auf private Sammler – gestützt durch eine wohlhabende Kundengruppe, häufigere Neubewertungen und ein wachsendes Interesse an zeitgenössischer Kunst. Die Schweiz bleibt der stärkste Markt für private Sammler in Europa, was auf ihre hohe Vermögenskonzentration und ihre langjährige Tradition der Kunstinvestition zurückzuführen ist.

Die Nachfrage institutioneller Kunden – Museen, Stiftungen sowie städtische und regionale Sammlungen – bildet hingegen ein stabiles Rückgrat des Marktes, insbesondere in Deutschland und Österreich. Diese Kundengruppe zeigt nur geringe Volatilität, während die Prämien infolge internationaler Leihaktivitäten und verschärfter Anforderungen im Risikomanagement stetig steigen.

Wie ein Befragter feststellte: „Leihgaben werden komplexer, internationaler und häufiger – Versicherung ist zu einem integralen Bestandteil der Ausstellungsplanung geworden.“

Temporäre Ausstellungsversicherungen gewinnen in Schlüsselmärkten an Bedeutung

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die deutliche Divergenz im Verhalten rund um temporäre Versicherungen.
Deutschland und das Vereinigte Königreich verzeichnen ein besonders starkes Wachstum im Bereich der temporären Ausstellungs- und Leihversicherungen – getragen durch ein dichtes Kulturprogramm, zahlreiche Festivals und die Nachholung pandemiebedingt verschobener Ausstellungen. Auch Frankreich zeigt anhaltende Dynamik: Dort machen temporäre Policen nahezu ein Fünftel des gesamten Prämienvolumens aus.

Die Schweiz hingegen weist einen kontinuierlichen Rückgang temporärer Versicherungen auf. Dies spiegelt eine Ausstellungslandschaft wider, die stark auf staatliche Garantien (Indemnities) und die langfristige Nutzung institutioneller Sammlungen setzt, anstatt auf häufig wechselnde Ausstellungen.

Österreich nimmt eine Zwischenposition ein: Dauerpolicen dominieren weiterhin, doch temporäre Versicherungen gehören zu den am schnellsten wachsenden Marktsegmenten – getrieben von der zunehmend internationalen Ausstellungslandschaft Wiens.

Marktstruktur und Produktmix: Eine konstante Verschiebung in Richtung Wertorientierung

Europaweit entwickelt sich Fine-Art-Versicherung zunehmend zu einem wertgetriebenen Spezialmarkt.
Während das Vertragsvolumen nur langsam wächst – häufig zwischen 0,5 % und 1,5 % pro Jahr –, steigen die durchschnittlichen Prämien und Versicherungssummen deutlich stärker. Diese Entwicklung wird von steigenden Kunstbewertungen, inflationsbedingten Kostensteigerungen in Logistik und Konservierung sowie strengerem Underwriting angetrieben.

Deutschlands Übergang zu Combined-Policen, die weiterhin starke Stellung von Fine-Art-Only-Policen in der Schweiz und Frankreichs wachsender Anteil integrierter Gewerbeversicherungen verdeutlichen eine zunehmende Polarisierung der Produktstrategien innerhalb Europas.

Das Vereinigte Königreich weist zudem einen der höchsten Anteile an Direktvertrieb in Europa auf (rund 34 %). Dennoch dominieren Spezialmakler nach wie vor das Geschäft mit hochpreisigen und institutionellen Risiken.

Der Markt bleibt generell maklergetrieben: 65,4 % des Prämienvolumens werden 2025 über Intermediäre vermittelt.
Der Direktvertrieb macht 34,6 % aus, unterstützt durch digitale Plattformen und hochwertige Haushaltsversicherungsprodukte. Allerdings bevorzugt die Komplexität des Fine-Art-Underwritings weiterhin spezialisierte Makler – insbesondere für institutionelle und vermögende Kunden.

Ausblick: Stetiges Wachstum und zunehmende Marktreife

Für die kommenden Jahre wird ein solides und diszipliniertes Wachstum bis 2028 erwartet. Treibende Faktoren sind:

  • steigende Kunstbewertungen

  • wachsende internationale Ausstellungs- und Leihnetzwerke

  • fortschreitende Digitalisierung von Underwriting- und Inventarprozessen

  • zunehmende Bedeutung klimabezogener Risiken (z. B. Feuchtigkeit, Überflutung, Hitze)

Während bestimmte regionale Eigenheiten bestehen bleiben – wie die Dominanz von Fine-Art-Only in der Schweiz oder die Zunahme von Combined-Policen in Deutschland –, zeichnet sich ein klarer übergeordneter Trend ab: Europa entwickelt sich zu einem gereiften, wertzentrierten Kunstversicherungsmarkt, geprägt von höherer Underwriting-Qualität, anspruchsvolleren Kunden und einer stärkeren Verbindung zwischen Kultur- und Finanzsystemen.

Kontakt:
Interconnection Consulting
Allison Carranza | Marktanalystin
Tel: +43 1 585 46 23 – 50
E-Mail: carranza@interconnectionconsulting.com

Über Interconnection Consulting
Seit 1998 ist Interconnection Consulting ein führender Anbieter von Marktforschung und bietet datenbasierte Analysen und umsetzbare Einblicke, um Unternehmen erfolgreich zu unterstützen.

03/12/2025

Copyright: Interconnection, Honorarfrei zur Veröffentlichung im Rahmen der Berichterstattung über die erwähnte Studie und IC Consulting.

Allison Carranza

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Allison Carranza hat ihre Karriere als Market Analyst in verschiedenen Branchen aufgebaut, darunter Kunststoffmaschinen, Fassadenfarben, Recruitment, Akustikdecken, Fertighäuser und Kunstversicherungen. Sie verfügt über fundierte Erfahrung in der Entwicklung von Marktprognosemodellen und der Aufbereitung komplexer Daten zu umsetzbaren Erkenntnissen. Internationale Kunden schätzen neben ihrer analytischen Kompetenz auch ihre Sprachkenntnisse in Englisch, Italienisch und Spanisch. Sie hat Wirtschaftswissenschaften und Kulturökonomie in Rom studiert und kürzlich ein Business-Analytics-Zertifikat an der Harvard Business School Online abgeschlossen, wodurch sie ihre analytischen und strategischen Fähigkeiten weiter vertieft hat.

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